Die Frage nach Abschaffung der Todesstrafe ist in belarussischer Gesellschaft spruchreif geworden. Diese Meinung sprach Vorsitzender der Ständigen Kommission für Gesetzgebung und Gerichts- und Rechtsfragen der Repräsentantenkammer Nikolaj Samosejko aus.
„Man muss die Abschaffung der Todesstrafe in Belarus ausführlich und öffentlich besprechen“, glaubt Abgeordneter. Dabei muss man seiner Meinung nach geopolitische Lage unseres Landes berücksichtigen. Belarus liegt zwischen Westen, wo die Todesstrafe in allen europäischen Ländern abgeschafft wurde, und Osten, wo China „Spitzenreiter bei der Anwendung der Todesstrafe ist“. Nikolaj Samosejko ist überzeugt, dass sich Belarus bei der Lösung dieser Frage „weder nach Westen noch nach Osten richten soll, wir schlagen unsren eigenen Weg ein“.
Dem Parlamentarier zufolge schafften die meisten europäischen Länder die Todesstrafe gegen die öffentliche Meinung ab, dann veränderte sie sich und die Menschen unterstützten die Entscheidung der Behörden.
Aber der Abgeordnete ist überzeugt, dass Belarus diesen Weg nicht einschlagen soll. „Einmal berieten sich die Behörden mit dem Volk über die Abschaffung der Todesstrafe. Deshalb ist es logisch, die Todesstrafe abzuschaffen, wenn man sich im Volksbescheid dafür spricht“, sagte der Abgeordnete. Laut Umfragen herrschen in belarussischer Gesellschaft Anhänger der Todesstrafe vor. Deshalb ist es zwecklos, den Volksbescheid jetzt durchzuführen und dieselbe Antwort wie 1996 zu bekommen. Zuerst muss man allmählich die öffentliche Meinung verändern, in erster Linie durch die Massemedien“, ist Nikolaj Samosejko sicher. Der Abgeordnete erklärte sich für bereit, mit der Initiative zur Durchführung der parlamentarischen Sitzungen zur möglichen Abschaffung der Todesstrafe in der Tagung im Frühjahr 2010 aufzutreten.
Der Parlamentarier glaubt, dass man in Belarus zurzeit das Moratorium für Anwendung der Todesstrafe einführen kann. Eben für Anwendung, weil man die Bestimmung einer solchen Bestrafung als Einmischung in die Gerichtstätigkeit einschätzen kann. Seinen Worten nach ist die Unterstützung der meisten Bürger für Einführung des Moratoriums nicht vonnöten, weil diese Entscheidung einen provisorischen Charakter hat.
Bekanntlich sprach sich das belarussische Volk im Volksbescheid 1996 für die Erhaltung der Todesstrafe. Dafür gaben über 80 Prozent der Bevölkerung ihre Stimmen ab. „Das war eine natürliche Reaktion der Gesellschaft, spiegelte die Stimmung des Volkes in der Zeit wider, als die Sowjetunion zerfiel und die Kriminalität überhand nahm“, betonte Nikolaj Samosejko. Er fügte hinzu, dass die Ergebnisse des Volksbescheids „auf keinen Fall von Konservatismus, fehlender Demokratie belarussischen Volks zeugen“.
Seit diesem Volksbescheid veränderte sich vieles im Land: kriminelle Lage stabilisierte sich, sozial-ökonomische Situation verbesserte sich. Es gibt auch wesentliche Veränderungen in der Gerichtspraxis. Nach Angaben des Abgeordneten wurden 1996 46 Menschen, 2009 nur 2 Menschen zur Todesstrafe verurteilt. Das wird darauf zurückgeführt, dass ab 1996 eine Alternative für die Todesstrafe gibt – eine lebenslange Inhaftnahme. Außerdem gibt es im Strafgesetzbuch weniger Artikel, die Todesstrafe vorsehen. Die Gerichte verurteilen immer seltener sowohl zur Todesstrafe als auch zur lebenslangen Inhaftnahme. „Wenn man Anhängern der Todesstrafe Glauben schenkt, die diese als einen hemmenden Faktor ansehen, so sollte die Zahl der Verbrechen steigen. Aber es zeichnete sich eine gegensätzliche Tendenz ab. Die Zahl von Bestrafungen und Verbrechen verringerte sich“, sagte Nikolaj Samosejko.
Seiner Meinung nach kann es im Streit um Erhalt oder Abschaffung der Todesstrafe keine Sieger geben, weil „dies keine rechtliche, sondern eine politische Frage ist“. Es gibt wichtige Pro- und Contraargumente. Die Befürworter der Todesstrafe sagen, dass dies ein hemmender Faktor ist, Gegner wiederholen, dass es Gerichtsfehler geben kann. „Beiderseitig kann man bis zu 10 Argumenten finden. Aber das wichtigste davon ist die Tatsache, dass es keine Argumente für Erhalt der Todesstrafe gibt“, schlussfolgerte Nikolaj Samosejko.